Geschichte
Schon die Menschen in der Jungsteinzeit sammelten in Deutschland Früchte der heimischen Wildformen von Apfel, Birne und Kirschen. Die genetischen Vorfahren unserer heutigen Apfel- und Birnensorten stammen aber aus Südwestasien. Durch die Römer kamen sie vor etwa 2.000 Jahren auch nach Mitteleuropa, zumindest bis zu den Grenzen des Römischen Reiches.
Im Gegensatz zu den „wilden“ einheimischen Früchten, die vorwiegend gesammelt wurden, bauten die Römer ihr kultiviertes Obst systematisch an. Das hat auch im heutigen Sprachgebrauch Spuren hinterlassen. Noch heute lassen sich Bezeichnungen aus dem Obstbau auf lateinische Worte zurückführen, etwa Most (mustum), Kelter (calcatura) oder Presse (pressus).
Nach dem Niedergang des Römischen Reiches pausierte der Obstanbau gewissermaßen. In seiner Landgüterverodnung „Capitulare de vilis“ regelt Karl der Große 812, dass auf seinen Gütern unter anderem Obstbäume angebaut werden müssen. Vor allem durch die Ausbreitung der Klöster erhielt der Obstanbau weiteren Aufschwung. Die Mönche tauschten Edelreiser und Jungbäume und sorgten dadurch für eine Verbreitung von Sorten mit positiven Eigenschaften. Die älteste dokumentierte Apfelsorte in Deutschland, der Edelborsdorfer, wurde im 12. Jahrhundert vom Zisterzienserorden verbreitet.
Vor allem im 18. und 19. Jahrhundert erfolgte in Hessen dann eine Intensivierung des Obstanbaus, gesteuert durch staatliche Verordnungen. So entstanden flächendeckend Baumschulen, um den Bedarf an Jungbäumen zu decken. Obstbau wurde teilweise in den Schulen gelehrt. Entlang von Straßen mussten Alleen aus Obstbäumen gepflanzt werden.
Das Aufkommen vieler neuer Obstsorten machte deren systematische Beschreibung erforderlich: Das ist die Kernaufgabe der Pomologie – abgeleitet von Pomona, der römischen Göttin der Baumfrüchte. Als Begründer der wissenschaftlichen Pomologie gilt der 1706 in Kassel geborene Gärner Johann Hermann Knoop. 1758 veröffentlichte er die Pomologia, das erste Buch zur systematischen Obstsortenkunde. Es beschreibt und zeigt auf Farbtafeln fast 200 Apfel- und Birnensorten aus mehreren europäischen Ländern.
Weitere bedeutende Pomologen, die in Hessen wirkten:
- Johann Ludwig Christ (1739 – 1813) in Kronberg im Taunus
- August Friedrich Adrian Diel (1756 – 1833) in Diez
- Richard Zorn (1860 – 1945) in Hofheim am Taunus
Regelmäßig bezogen deutsche Pomologen neue Sorten aus England, Frankreich, den Niederlanden, Belgien und sogar aus Russland und den jungen Vereinigten Staaten von Amerika. Diese Vielfalt ist auch heute noch auf Streuobstwiesen zu finden.
Ab Beginn des 20. Jahrhunderts und vor allem nach dem zweiten Weltkrieg ändert sich der Obstanbau grundlegend. Kleine Buschbäume ersetzen zunehmend die großen Bäume. Sie erleichtern die Ernte und Pflege. Chemischer Pflanzenschutz erlaubt zudem den Anbau von Sorten, die zwar anfällig für Krankheiten sind, aber höhere Erträge bringen. Für die immer mehr eingesetzten landwirtschaftlichen Maschinen sind Bäume am Feldrand eher hinderlich. In den 1960er Jahren gibt es sogar Rodungsprämien für hochstämmige Obstbäume. Viele Streuobstwiesen in Ortsrandlage müssen Neubau- oder Industriegebieten weichen. Von etwa 1960 bis 1990 werden kaum noch Hochstämme nachgepflanzt, in der Landschaft fehlt also eine komplette Baumgeneration. Obwohl Streuobstwiesen in Hessen mittlerweile geschützt sind, gibt es nur noch etwa 17.500 Streuobstbiotope auf einer Fläche von insgesamt etwa 9.100 Hektar. Gerade die alten Bäume sind am Ende ihrer Lebensspanne und leiden neben mangelnder Pflege vor allem auch unter den Folgen der Klimakrise. Zu Hitze und Dürre kommen auch neue Schädlinge.
Weiterführende Literatur
Christian Geske: Streuobstwiesen in Hessen – ein Landschaftselement mit agrarpolitischer und ökonomischer Geschichte
- Streuobstwiesen in Hessen haben eine lange Geschichte und sind wichtige Biotope. Sie entstanden vor Jahrhunderten und prägen bis heute die Landschaft. Ihre vielfältige Nutzung unterstützt die Artenvielfalt und den Erhalt traditioneller Kulturlandschaften.